Jetzt nehmen uns die Franzosen auch noch die Startups weg!
- mathiaskeswani
- 14. Okt. 2024
- 3 Min. Lesezeit

Manche Bilder brennen sich einfach ins Gedächtnis ein. So wie jenes, als meine Lieblings-CSU-Charakterin Dorothee Bär teils lasziv, teils heroisch für Fotografen vor einem Flugtaxi herumlümmelte. Kaum war der Schuss im Kasten, mischte sie im Latexkostüm, gemeinsam mit dem bayuwarischen Sith-Lord Andy Scheuer, die Verleihung des Deutschen Computerspielpreises auf. Die Message war klar: „Mia san digital, gell!“

Heute, zahlreiche Fotoshootings und Mautpleiten später, ist die seitens der Bundesregierung versprochene Förderung von 100 Millionen Euro für die Computerspielbranche gestoppt, und das Flugtaxi-Unternehmen Lilium ist dabei, nach Frankreich abzuwandern, weil der Bund eine Garantie in Höhe von ebenfalls 100 Millionen Euro verweigert. Bayern hingegen – und das muss man zumindest anerkennen – hat seine Garantie in Höhe von 50 Millionen Euro für das Aero-Startup bereits zugesichert.
„Ich würde es nicht in Deutschland machen.“
Antwort des Lilium-Gründers Daniel Wiegand auf die Frage, was er bei einer erneuten Gründung anders machen würde.
Im ersten Schritt der Kommerzialisierung der Flugtaxis, sofern diese stattfinden wird, handelt es sich um ein elitäres und exklusives Beförderungsmittel, das man vermutlich nicht mit dem Deutschlandticket besteigen kann. Vielmehr ist die Idee, das Louis-Vuitton-Kofferset vorab per DHL nach St. Moritz auf den Weg zu schicken und die illustre Gesellschaft derweil mit dem Quadrocopter zum Polo-Turnier einschweben zu lassen.
Während bei der FDP bereits eine Taskforce an Plänen für eine Mehrwertsteuersenkung auf 7 % für Quadrocopter-Flüge sitzt, kommt den Grünen beim Gedanken an diese elitäre Zukunftsvision kollektiv die Galle hoch.
Nun mag man der Vision des Flugtaxis gegenüberstehen, wie man will. Fakt ist, dass bei Lilium über 1.000 Mitarbeiter nicht nur an einer Mobilitätsvision arbeiten, sondern Grundlagenforschung betreiben und versuchen, die großen Probleme der Welt zu lösen. Unter anderem, wie es gelingt, die kommerzielle Luftfahrt zu elektrifizieren.
Mit einem immensen Managementaufwand versucht das Unternehmen nun seit fast zwei Jahren, an einen Kredit vom Bund zu kommen. Frankreich hingegen hat Lilium drei Monate nach den ersten Gesprächen eine Zusage über die benötigte Summe erteilt.
Ausgerechnet Frankreich. Das am dritthöchsten verschuldete Land in der EU, das zuletzt 1974 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen konnte. Das Land, das aktuell ein Defizit von 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufweist (Deutschland 2,1 Prozent). Aber eben auch das Land, das in den vergangenen Jahren so hohe ausländische Investitionen ins Land geholt hat wie kein anderer europäischer Staat.
Dazu beigetragen hat nicht nur die Senkung der Unternehmenssteuer von 33 Prozent auf 25 Prozent, sondern auch ein eklatanter Bürokratieabbau und Investitionen in die Infrastruktur. Vor allem aber haben die zahlreichen Förderungen für innovative Startups Frankreich zum europäischen Hotspot für DeepTech-Unternehmen werden lassen. Und im Gegensatz zu Deutschland erhalten die Unternehmen die versprochenen Förderungen auch, ohne bereits bei der Antragstellung dem Wahnsinn zu verfallen.
WIN heißt die aktuelle PR-trächtige Initiative, auf die sich das Trio Infernale Scholz, Habeck und Lindner pünktlich zum „German Startup Summit“ einigen konnte, ohne sich dabei öffentlich zu balgen. WIN steht für „Wahnsinnig Ineffizienter Nonsens“. Der Initiative liegt die (krude) Story zugrunde, dass Deutschland sich ein formidables Ökosystem für Startups aufgebaut habe, es aber am nötigen Kapital fehle. Dieses werde nun dank der drei Berliner Business Angels durch die Wirtschaft zur Verfügung gestellt. So einfach abzurufen, dass man nur mit einem Businessplan und EC-Kartenlesegerät unter dem Arm bei BlackRock klingeln muss und Larry Fink persönlich die Platin-Amex durchzieht. Ka-Woom, Doppel-Wumms. Bazooka, Baby!
Die Wahrheit ist leider eine andere. Investitionsbremsen aus der Wirtschaft sind nicht der Grund dafür, dass wir in Deutschland keine prosperierende Startup-Landschaft haben und junge Unternehmen das Land verlassen. Vielmehr liegen die Probleme in der Bürokratie, Behördenwahnsinn, Überregulierung, dem komplexen Steuersystem, dem eklatanten Fachkräftemangel, mieser digitaler Infrastruktur und allem voran der nicht vorhandenen Vision für dieses Land. Da mag Christian Lindner noch so oft wie Peter Zwegat (RIP) mit dem Flipchart voran im Élysée-Palast einlaufen, um Macron den Unterschied zwischen Soll und Haben aufzumalen. Frankreich scheint wenigstens zu wissen, wo es hin will. Ob der Weg der richtige ist, wird sich zeigen. Schon Karl Lagerfeld versuchte in einer Talkshow, dem deutschen Häuslebauer die französische Wirtschaftsstrategie näherzubringen: „Das Geld muss zum Fenster raus, damit es zur Tür wieder reinkommt.“ C'est la vie.